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Der Karneval in Seppenrade |
Seit vielen Jahrzehnten, Berichte aus früheren Jahren lassen auf über 100 Jahre schließen, wird in Seppenrade der urwüchsige und deftige westfälische Karneval gefeiert mit all seinen Besonderheiten. Die KG “Stabil Daobi” ist kein Verein im üblichen Sinne. Bestehend nur aus dem Vorstand wird versucht, Traditionsbewußtsein und Heimatverbundenheit aufrechtzuhalten. Mitglieder oder sogar Beiträge kennt die Karnevalsgesellschaft “Stabil Daobi”nicht.
Nach dem 1. Weltkrieg, sicherlich auch vorher, haben sich Seppenrader Bürger zusammengefunden, um gemeinsam Karneval zu feiern. Mitglieder der verschiedenen örtlichen Vereine organisierten eine Versammlung, in der ein Vorstand gewählt wurde, der die Verantwortung für den Festablauf übernahm. Im Vorstand sollten immer möglichst viele verschiedene Vereine und Interessengruppen vertreten sein.
Während im Rheinland Kostümierungen und Umzüge die Fastnacht prägten und im süddeutschen Raum mehr Gewicht auf Faschingsbälle neben Umzügen, in denen heidnisches Kulturgut mit einbezogen wurde, gelegt wurde, feierte man im Münsterland Karneval mehr als gemütliches Zusammensein mit gemeinsamem Essen und anschließendem Tanzvergnügen.
Junge Burschen, zum Teil verkleidet, zogen mit Akkordeon und Pauke von Haus zu Haus und sammelten Mettwürste und Eier ein. Bunt kostümiert trafen sich abends die Jungen und die Alten mit den Frauen und Mädchen, um das Eingesammelte gemeinsam zu verzehren. Anschließend wurde Karten gespielt. Die jüngeren Leute schwangen das Tanzbein und bewegten die “Schraubendampfer”.
Die Karnevalszeit wurde auch zu derben Späßen genutzt. Im Jahre 1949 erbeuteten vier Karnevalisten den Hund von Arthur K., einen Pudel. Offenbar verwechselten sie das Tier mit einem Schaf und schoren ihn. Hiermit war der Hundebesitzer, obwohl fachmännisch ausgeführt, nicht einverstanden. Erbost suchte er den Schiedsmann auf und verklagte die Übeltäter. Der Schiedsmann setzte den Termin zur Verhandlung der Sache gerade auf Rosenmontag an. In der Verhandlung, zu der die Angeklagten mit einem Lkw mit dem Transparent “Die Angeklagten”gebracht wurden, konnte der arme Hundebesitzer die Úbeltäter nicht überführen. Zur Vermeidung einer Klage gegen sich wegen Verleumdung mußte er die Kontrahenten besänftigen. Flugs holte er mehrere Flaschen Schnaps aus einer nahegelegenen Brennerei. Im Jahr darauf konnte man in der Festzeitung lesen, daß der Lkw mit einem Schild “Die Sieger”in das Dorf zurückgekehrt ist. Der Sieg wurde anschließend in einer Gaststättte ordentlich gefeiert. Der Hundebesitzer, nicht so trinkfest wie die Kontrahenten, wurde auf einem Brett liegend auf dem Lkw mitgenommen und schlief seinen Rausch in der Gaststätte aus.
Nach dem 2. Weltkrieg lebte die karnevalistische Tradition in Seppenrade mit einem Umzug durch das Dorf am Rosenmontag und dem Mütterkaffee am Nelkendienstag wieder auf. Von 1948 bis 1953 wurde sogar ein närrisches Oberhaupt, der Prinz Karneval, gewählt. Die bei dem Umzug eingesammelten Eier und Würste wurden abends in der Gaststätte gemeinsam verzehrt. Bei dieser Gelegenheit wurden in einer feierlichen Zeremonie neue Paohlbürger aufgenommen. Diese Ära endete, als bei einer namentlichen Abstimmung auf der Generalversammlung im Jahre 1963 der Wegfall des Eier- und Wurstsammelns beschlossen wurde.
Die ‘wilden’Sechzigerjahre sorgten für eine weitere einschneidende Veränderung des karnevalistischen Treibens und des Seppenrader Vereinslebens. Mit dem Bau der Mehrzweckhalle durch Ludger Dammann stand den Reitern ein überdachter Reitplatz zur Verfügung, der bei Bedarf zu einer Festhalle umfunktioniert werden konnte.
Die Karnevalsgesellschaft unter ihrem Vorsitzenden Josef Holtermann nutzte sofort nach der Fertigstellung die damit gegebenen räumlichen Möglichkeiten und veranstaltete unter der Schirmherrschaft des damaligen Bürgermeisters Heinrich Köhler ihr erstes Karnevalsfest in der Festhalle. Das Festprogramm zum Mütterkaffee wurde in den Anfangsjahren fast auschließlich durch heimische Mitwirkende, z.B. Paule Scholle und Heinrich Grube, Frau Keßler, Paul Wagner und -natürlich- Bernard (Natz) Thüs, den Kirchenchor und viele andere gestaltet.
Dieser Erfolg setzte sich auch in den nachfolgenden Jahren fort. Nicht zuletzt, weil das gebotene Programm durch die Verpflichtung auswärtiger Akteure verbessert werden konnte, wurde der Seppenrader Karneval weit über die Grenzen des Ortes bekannt. Ein Höhepunkt war 1974 der Besuch der befreundeten Dortmunder Karnevalsgesellschaft “So fast as Düörp’m”mit 130 Akteuren der “Les Majorettes Les Amienoeses et le Fanfare Saint Pierre”aus Amiens/Frankreich, der Partnerstadt Dortmunds und der Auftritt des Sängers Fred Emmerich.
Dass die Verpflichtung auswärtiger Künstler auch Probleme mit sich bringen kann, mußte 1977 festgestellt werden. Eine Büttenrednerin aus einem Nachbarort, die sich als Pater verkleidet hatte, sorgte dafür, daß sich “Stritzken” über deren “Outfit” beschwerte. Ein anonymer Briefschreiber (oder etwa -schreiberin?) beanstandete, daß die Darbietung zu sehr unter die Gürtellinie zielte. Dieser Programmpunkt wurde darüber hinaus noch durch den Auftritt eines Männerballetts im Bikini(!) übertroffen.
Problemlos und angenehm dagegen gestaltete sich die Zusammenarbeit mit vielen heimischen Akteuren, wie der Tanzgruppe “Golden Girls”den “Tramp’s” dargestellt von Natz Thüs und Franz-Josef Peick oder dem Männerballet der Feuerwehr Seppenrade. Der Spielmannszug “Klingendes Spiel” und die Gesangsgruppe “Die Herzchen”boten so manche weitere Höhepunkte. Selbst der Kegelklub “Alle Neune”begeisterte mit einem Schottentanz.
Bei der Generalversammlung 1979 gab es einen nennenswerten Wechsel, als Franz Josef Peick den Vorsitz von Josef Holtermann übernahm, der sein Amt wegen seiner Ernennung zum Bürgermeister niederlegen mußte. Erstmals schlug der rückläufige Besucherandrang zu Buche und der damalige Kassierer Theo Nopto hatte in seinem Kassenbericht ein Defizit zu beklagen.
Nach der Renovierung der Festhalle, bei der auch viele andere Seppenrader Vereine mithalfen, wurde ab 1982 der jüngeren Generation ein Tanzabend mit den “Roaring Lions” und vielen anderen bekannten Bands angeboten. So gelang es durch einen Exklusivertrag, die bekannte und populäre Band “Old Fashion”zu einem ersten Auftritt in der Festhalle zu verpflichten.
Mit diesen Auftaktveranstaltungen, die später noch um eine Party im Januar erweitert wurde, begann ein finanzieller Aufschwung, der auch notwendig war, um das hohe Niveau der Veranstaltung an den Karnevalstagen halten zu können ohne die Eintrittspreise drastisch zu erhöhen zu müssen.
Mit der Dülmener Musikband “Concorde”, die zum ersten Mal in der Festhalle spielte, begann eine lange und gedeihliche Zusammenarbeit. Die Band sorgte am Karnevalssonntag und beim Mütterkaffee für eine hervorragende Stimmung, die die mehr als 700 Besucher und Besucherinnen begeisterte. Es muß daher nicht verwundern, daß erst am Aschermittwochmorgen für die Band, einige Vorstandsmitglieder und die Amboßfunken der Karneval bei Gudorf ausklang.
Der Golfkrieg sorgte 1991 dafür, daß nach dem stürmischen Vorjahr sämtliche Karnevalsveranstaltungen abgesagt wurden und die Vorbereitungen vergebens waren. Erfreulich war nur, daß alle bereits verpflichteten Akteure auf ihr Gage verzichteten und lediglich die $GEMA$ auf die Begleichung des Nutzungsentgelts bestand.
Mit Wehmut nahmen viele Seppenrader am 11. Dezember 1994 bei einem Frühschoppen, der von allen Seppenrader Vereinen veranstaltet wurde, Abschied von der Festhalle. Die Schließung der Festhalle stellte eine neue Herausforderung an die Karnevalsgesellschaft, galt es doch, die erfolgreiche jahrelange Arbeit in der Festhalle jetzt in einem Festzelt mit dem damit verbundenen zeitlichen Mehraufwand und dem finanziellen Risiko fortzusetzen. Nicht nur der richtige Stellplatz für das Zelt, sondern auch die erforderlichen Einrichtungen stellten zunächst nur schwer lösbare Probleme dar, die viel Kopfzerbrechen bereiteten.
Mangels ordentlicher Organisation und insbesondere wegen mangelnder Beheizung durch den beauftragten Festwirt bekamen die Gäste im wahrsten Sinne des Wortes kalte Füße. Diese im Vergleich zur Festhalle ‘kühlere Atmosphähre’ sorgte dafür, daß zahlreiche Besucher den Veranstaltungen fernblieben. In den folgenden Jahren galt es zunächst erst einmal, das Vertrauen des Publikums zurückzugewinnen. Der Vorstand entschloß sich daher, die Bewirtung in eigene Hände zu nehmen und den Mütterkaffee vom Nelkendienstag auf den Rosenmontag zu verlegen.
Dank der Mithilfe des Seppenrader Löschzuges der Feuerwehr bei der Bewirtung, der engagierten Mitarbeit des Vorstandes und nicht zuletzt durch die Mithilfe etlicher Seppenrader Karnevalsfreunde werden die selbst gesteckten, hohen Anforderungen inzwischen erfüllt. Verbesserungen werden selbstverständlich weiter eingearbeitet.
Nachdem für den Elferrat die zunächst ungewohnte Organisation des Festzeltes im Vordergrund stand, konnte der Öffentlichkeit in den letzten zwei Jahren wieder ein ansprechendes Programm geboten werden. Höhepunkt der vergangenen Jahre war sicherlich der Auftritt der “Commedian Harmonists”, der von den Mitgliedern des Spielmannzuges “Klingendes Spiel” dargeboten wurde.
Von der langjährigen erfolgreichen Arbeit der Karnevalsgesellschaft profitieren nicht nur die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltungen. Die erzielten Überschüße werden der Gemeinde oder den Vereinen für bestimmte Zwecke zur Verfügung gestellt. So wurden die Einnahmen des ersten Festes in der Festhalle dem Heimatverein zur Gestaltung des alten Friedhofs überlassen. Fast alle Seppenrader Vereine haben in den vergangenen 34 Jahren Spenden für bestimmte Zwecke erhalten.
Von der langjährigen erfolgreichen Arbeit der Karnevalsgesellschaft profitieren nicht nur die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltungen. Die erzielten Überschüße werden der Gemeinde oder den Vereinen für bestimmte Zwecke zur Verfügung gestellt. So wurden die Einnahmen des ersten Festes in der Festhalle dem Heimatverein zur Gestaltung des alten Friedhofs überlassen. Fast alle Seppenrader Vereine haben in den vergangenen 34 Jahren Spenden für bestimmte Zwecke erhalten